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Informationsveranstaltung zur Sanierung der Bayreuther Straße

„Das Richtige hinstellen.“

Informationsveranstaltung zur Sanierung der Bayreuther Straße 2023-2029 

Nach coronabedingten Verzögerungen erlebt auch die Bayreuther Straße eine offizielle Informationsveranstaltung zu Sachstand und Planungen bezüglich der anstehenden umfangreichen Veränderungen in den Einweisungsgebieten Ludwigshafens. An der Veranstaltung der Stadt Ludwigshafen am 27.9.21, im Hof zwischen den Weißen Blöcken aufgebaut von der GWA der ÖFG, nehmen zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Stadtverwaltung und der Ökumenischen Fördergemeinschaft Ludwigshafen teil. Im Vorfeld bestand Anlass zu der Vermutung, dass auch seitens der Eingewiesenen rege Mitwirkung zu erwarten sei. Dem ist leider nicht so; außer unzureichender Werbung sind freilich noch andere Faktoren dafür verantwortlich.

In ihrer Einführung erläutert Sozialdezernentin Beate Steeg nochmals das Sozialkonzept, konkret vor allem besagte Hilfen über §§ 67 ff. SGB XII, die für Menschen in schwierigen Lebenssituationen vorgesehen sind. Mit dem Zwischenruf: „Verdammt schwierige Lebenssituationen!“ eröffnete Jana Müller, Sprecherin des „Bayreuther Beirats“, die Diskussion und überreicht eine Liste mit Fragen, die der Beirat ausgearbeitet hat. Im Folgenden entwickelt sich ein Dialog, der, teils hitzig geführt, einerseits eine erste Annäherung bedeutet, andererseits auch die Diskrepanz zwischen Planungsbeauftragten und Bewohnerinnen und Bewohnern verdeutlicht.

„Vertrauen muss wachsen. Das braucht seine Zeit!“, ersucht die Dezernentin um Verständnis und nennt unter anderem den STREET DOC als wirksame Initiative der vergangenen Jahre. Binnen kurzem konzentriert sich der Gedankenaustausch auf die Wohnungsfrage; die Sinnhaftigkeit von situationsangepassten Hilfen wird seitens der Bewohnerschaft energisch bezweifelt, solange keine Wohnungen zur Verfügung stehe, in die man zeitnah umziehen könne. Über Bauprojekte der Stadt gut informierte Besucher weisen darauf hin, dass in anderen Stadtteilen mit Eifer gebaut werde; auch der vielfach zitierte Leerstand in der Stadt erwecke den Eindruck, dass tatsächlich ausreichend Wohnungen vorhanden seien und lediglich der politische Wille fehle, diese an Menschen aus den Einweisungsgebieten zu vermieten.

Für den Leerstand, so Beate Steeg, gebe es unterschiedliche Gründe. Es müsse eben „für jeden Geldbeutel gebaut werden.“ Außerdem hätten sich Bürgerinitiativen gegründet, die sich gegen entsprechende Maßnahmen aussprächen. – In Zwischenrufen werden Sofortmaßnahmen gefordert, die der Renovierung des Spielplatzes in der Bayreuther Straße, erhöhtem Schutz für Frauen, der Schimmelbekämpfung in den Notwohnungen sowie einer praktikablen Neuorganisation der Duschmöglichkeiten gelten. Die Dezernentin ermuntert die Teilnehmenden, Verbesserungsvorschläge an die Fachstelle für Wohnraumsicherung zu richten. Jeder Punkt werde einzeln geprüft.

Alexander Thewalt, Dezernent für Bau, Umwelt und Verkehr, schildert die Pläne der Stadt für die kommenden Jahre aus seiner Fachsicht. Bedauerlicher Weise seien bereits seit längerem zu wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz, um sämtliche 55 Projekte schneller voranzutreiben. „Es kommen auch immer neue dazu.“ – An Zeiten, in denen eine quasi umgekehrte Situation mit vollkommen anderer Auftragslage und Bau-Konjunktur herrschte, erinnert Rainer Bernhard, Bereichsleiter Gebäudewirtschaft. Beide Fachleute widmen sich nicht zuletzt der Frage, wo die Menschen aus der Bayreuther Straße während der Bauzeit unterkommen sollen.

Und sie liefern Antworten. Viele Sorgen der Bewohnerinnen und Bewohner, etwa ob „Zwangs-WGs“ und Durchgangszimmer eventuell auch im neuen Wohnkontext vorgesehen seien, können gemildert werden: Für Einzelpersonen, aber auch für Paare werden Appartements mit Nasszellen neu gebaut, die dem heutigen Standard entsprechen. Bereits ab Anfang November dieses Jahres bis Mitte 2022 werde der Auftrag europaweit vergeben. Es folge eine EU-weite Ausschreibung, wie im Gesetz vorgesehen. Sämtliche Schritte seien in enger Abstimmung mit dem Sozialdezernat geplant. Anfang 2023 beginne der Bau des Ausweichquartiers; hier suche man vor allem nach Möglichkeiten im Areal der Bayreuther Straße. Der Rückbau (Abriss) der „Roten Blöcke“ stehe bis Mitte 2025 auf dem Programm. Dann starte auch die Sanierung der „Weißen Blöcke.“ Baustellenbetrieb werde von da an bis ins Jahr 2029 herrschen, dann sei mit der Fertigstellung zu rechnen. Eine Wohnsituation sei beabsichtigt, „wo die Menschen sich wohlfühlen und sich identifizieren!“

Besonderer Aufmerksamkeit erfreut sich die Darlegung von Details, die für die Wohnqualität mitentscheidend sind. Jede Wohnung werde mit einer modernen Heizung ausgestattet; elektrische und Wärmeversorgung werde nach neuesten Standards eingebaut. Eine leicht ungläubige Zwischenfrage, wie dann die Ölversorgung geregelt werden solle, kontert der Baudezernent mit Bestimmtheit: „Hier wird es kein Heizöl mehr geben!“ Überall, auch in den Weißen Blöcken, werden neue Fenster und zeitgemäße Dämmung für Wohnkomfort sorgen. „Kein Flickenteppich“ sei beabsichtigt, sondern eine durchgehende Modernisierung. Für den erregten Zwischenruf: „Die Leute frieren jetzt!“ zeigt die Sozialdezernentin Verständnis, weist aber darauf hin, alles sei mit Zeitaufwand verbunden.

Sämtliche nötigen Standards seien im Raster geliefert; ab jetzt erfolge der Feinschliff. Die TWL werde neue Leitungen legen, „damit das endlich aufhört mit diesen Ölkännchen.“ Mit Nachdruck appelliert Beate Steeg an Geduld und Mitwirkungsbereitschaft: „Wir haben uns das fest vorgenommen. Nicht alles wird möglich sein umzusetzen, aber bitte gehen Sie in den Dialog mit uns!“ Auch die Politik sei in der Verantwortung – und zwar kontinuierlich, nicht nur die Verwaltung.

Je länger die Veranstaltung dauert, desto dringlicher äußern die aktuell und seit langem von gesundheitsgefährdendem Wohnen Betroffenen ihre Nöte. „Ich will wissen: wie komme ich über diesen Winter? Nicht über den in neun Jahren – wenn ich dann überhaupt noch lebe…“ Es wird beschrieben, dass es unmöglich es sei, manche Zimmer warm bekommen und zu erhalten. Türen, Fenster und Mauern seien extrem undicht. „Da kannst du gleich draußen schlafen!“ Die Dezernentin bietet an, sich in Einzelfragen vertrauensvoll an den neuen Leiter der Fachstelle für Wohnraumsicherung, Andreas Pocchiero, zu wenden. Sie werde sich dafür einsetzen, dass beim Umzug die Menschen ihre Möbel und ihre weiteren Habseligkeiten behalten können – auch hier können Ängste ausgeräumt werden. Noch 2017 seien 400 Menschen eingewiesen gewesen, mittlerweile nur noch 287. Immer wieder sei es gelungen, Personen anderweitig unterzubringen. – „So manch einer ist auch gestorben“, ergänzt ein Mitglied des Bayreuther Beirats.

Insgesamt, so muss konstatiert werden, bietet die Informationsveranstaltung der Stadt am Ort des Geschehens zahlreiche Anknüpfungspunkte. Bewohnerinnen und Bewohner, Mitarbeitende der Fachstelle sowie ÖFG-Fachkräfte bilden ein gemischtes Publikum – ein Bild der Kooperation, das noch vor kurzem so nicht entstanden wäre. Dass sukzessive die Distanz zwischen denjenigen, die zurzeit noch unter schlimmen Wohnbedingungen leiden und der Seite der Verantwortungsträger in der Diskussion stärker hervortritt, entspricht der negativen Verstetigung der Vergangenheit. Hier ist auch der Grund für die außerordentlich geringe Teilnahme der aktuell und in Zukunft in der Hauptsache Betroffenen zu suchen: Noch dominieren Resignation und Bitterkeit. Noch fehlt es an positiven Erfahrungen.

Damit wurde – vielleicht und in aller Vorsicht – am 27. September 2021 begonnen.

 

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